Jakob Kudsk Steensens forschungsbasierte Praxis nutzt digitale Technologien, um die durch den rapiden ökologischen und technologischen Wandel hervorgerufen Gefühle von Angst und Dissonanz zu adressieren. Der in Dänemark geborene Künstler arbeitet mit Biolog:innen, Forscher:innen und interdisziplinären Künstler:innen zusammen, um „langsame Medien“ zu entwickeln, ein Prozess, der ausgedehnte Feldforschung erfordert. Dabei verzichtet Kudsk Steensen auf Didaktik und konzentriert sich auf die sensorische Erfahrung, indem er 3D-Animationen mit Tonaufnahmen und spekulativen Erzählungen verwebt. Diese Simulationen ermöglichen es den Betrachter:innen, oft übersehene Naturphänomene zu erleben.
Für seine Installation RE-ANIMATED (2018-19) hat Kudsk Steensen den ausgestorbenen Kaua'i ‘ō'ō-Vogel und seine Umgebung mithilfe von Virtual Reality digital rekonstruiert. Der Künstler begegnete dem Vogel zum ersten Mal auf YouTube: Ein User hatte eine Aufnahme des außergewöhnlichen Balzrufs dieses hawaiianischen Vogels hochgeladen, woraufhin das Video über eine halbe Million Aufrufe erhielt. So fing ein umfangreicher Forschungsprozess an, der im New Yorker Museum of Natural History begann, einer Institution, die den Kaua'i 'ō'ō-Vogel in den 1800er Jahren erforschte. Kudsk Steensen recherchierte alle mit dem Vogel zusammenhängenden Bestände des Museums, von dessen echten Federn bis hin zu Archiven der lokalen Flora, und reiste anschließend nach Kauai, um die natürliche Landschaft zu erfassen. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiter:innen fügte der Künstler die verschiedenen Forschungsmaterialien zusammen, um den Vogel und seinen Lebensraum so genau wie möglich virtuell zu animieren. Im finalen Werk verdrängt die viszerale Unmittelbarkeit allerdings den zugrundeliegenden, komplexen und oft mühsamen Prozess. Die Theoretikerin Judith Butler merkte 2020 bei einem Vortrag über Eco Grief an, dass Trauer lehrreich ist: Trauer sagt uns, was wir schätzen und womit wir verbunden sind. Kudsk Steensens Arbeit hält Trauer fest, während sie gleichzeitig das utopische Versprechen von Kunst und Technologie umsetzt. Seine Arbeiten führen das Publikum durch eine nicht mehr existierende Welt und stellen letztlich die Möglichkeit in Aussicht, unsere Beziehung zur Natur durch Technologie neu zu gestalten.
Während seiner Zeit bei Callie’s wird Kudsk Steensen an einem gemeinsamen Projekt mit dem Museum für Naturkunde und Light Art Space (LAS) arbeiten, das im Sommer 2021 im Berliner Club Berghain ausgestellt werden wird. Die groß angelegte Installation wird 3D-animierte Amphibien und Insekten aus dem Berliner Umland mit reanimierten, ausgestorbenen Arten aus den Archiven des Museums für Naturkunde zusammenbringen. Kudsk Steensen hofft, die Betrachter:innen so in eine veränderte Zeitlichkeit zu versetzen: Eine Verflechtung von Vergangenheit und Zukunft, verbunden durch die feinsinnige Logik des Künstlers und von Poesie, Naturgeschichte, Feldforschung und digitaler Technologie durchdrungen.