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Candice Breitz
Geboren 1972 in Johannesburg, Südafrika; lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland.

Mit ihren Videoinstallationen liefert Candice Breitz Denkanstöße und schärft unseren Blick für Themen wie Individualität, Gemeinschaft und Aufmerksamkeitsökonomien. Das politische Engagement der Künstlerin wurde von ihrer Erfahrung des Heranwachsens im Südafrika der letzten Jahrzehnte der Apartheid geprägt. Oft umfasst ihr künstlerischer Prozess die Zusammenarbeit mit Einzelpersonen und Gruppen, die von sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Prekarität betroffen sind; dabei nutzt sie Instrumente der Unterhaltungsindustrie, um Geschichten zu erzählen, die in den Medien kaum Beachtung finden. Mit unerwarteten Inszenierungen und Erzähltechniken erforscht Breitz die potenziellen Auswirkungen des Geschichtenerzählens auf Empathie, Aufmerksamkeit und politisches Engagement.

Love Story (2016) ist eine Sieben-Kanal-Videoinstallation, die 2017 auf der Biennale von Venedig gezeigt wurde, als Breitz Südafrika vertrat. Die Arbeit zeigt Erfahrungsberichte von sechs Menschen, die aus ihren Heimatländern aufgrund der dort herrschenden repressiven Bedingungen geflohen sind. Jede:r Befragte sitzt vor einem Greenscreen und spricht direkt in die Kamera, welche die Person auf Augenhöhe zeigt. Die sechs Geschichten werden zweimal erzählt: zuerst von der Person, die tatsächlich das Erzählte erlebt hat, und anschließend, in einer Ein-Kanal-Montage, entweder von der amerikanischen Schauspielerin Julianne Moore oder ihrem Kollegen Alec Baldwin. Konfrontiert mit derselben Geschichte, jedoch wiedergegeben von zwei sehr unterschiedlichen Erzähler:innen, erfahren die Betrachtenden, wie stark die von Prominenz erzeugte, vermeintliche Vertrautheit emotionale Betroffenheit hervorruft. So lässt sich leicht schlussfolgern, inwieweit Massenmedien Empathie, politisches Handeln und somit gelebte Realität beeinflussen. Wie Breitz anmerkt, „geht es in Love Story ebenso sehr um die Art und Weise, in der wir Geschichten wahrnehmen, als auch um die Geschichten selbst.“

Als Fortsetzung von Love Story entstand die Videoinstallation TLDR (2017) aus Interviews mit einer Community von Sexwork-Aktivist:innen in Kapstadt, die Teil des langfristigen Austauschs zwischen Breitz und der gemeinnützigen Organisation und Interessenvertretung SWEAT (Sex Workers Education & Advocacy Taskforce) sind. Im ersten Raum der Dreizehn-Kanal-Videoinstallation erzählt ein 12-jähriges Kind von der jüngsten Debatte zur Entkriminalisierung von Sexarbeit; die konträren Standpunkte zum Thema werden dabei von Amnesty International und einer Allianz aus prominenten Hollywood-Schauspielerinnen und Gegnerinnen von Sexarbeit vertreten. Ein Chor aus elf Sexarbeiter:innen antwortet auf die Erzählung des Jungen und kommentiert sie mit unisono gesungenen Refrains, Choreografien und Requisiten wie Gesichtsmasken von Prominenten, Protestschildern und übergroßen Emojis. Der zweite Teil von TLDR zeigt zehn Interviews mit Sexarbeiter:innen, die direkt in die Kamera sprechend ihre Geschichten und Erfahrungen schildern. Unter Verwendung einer Vielzahl von Unterhaltungstechniken – vom griechischen Theater der Antike bis hin zu einem treibenden Hip-Hop-Soundtrack und präzisem Schnitt – erzählt Breitz eine komplexe Geschichte, die, prall gefüllt mit Fakten und Informationen, die Aufmerksamkeit ihres Publikums fesselt.

Während ihrer Residency Ende 2021 bereitete Breitz ihr neues Werk Whiteface vor. Die Arbeit speist sich konzeptuell aus einer Sammlung von Videoclips, die Breitz im Laufe der Jahre gesammelt hat und in denen sich weiße Menschen über race äußern. Die Sprecher:innen reichen von politischen Persönlichkeiten bis hin zu Video-Blogger:innen. In der finalen Videoinstallation gibt Breitz selbst die Aussagen dieser Personen als Bauchrednerin wieder; dabei trägt sie ein gebügeltes weißes Hemd, weiße Kontaktlinsen und eine platinblonde Perücke. Losgelöst von ihren ursprünglichen Sprecher:innen, legen die Monologe das Vokabular des Weißseins sowie ein wachsendes Unbehagen offen, während die Sprecher:innen versuchen, sich mit Themen wie weißen Privilegien und weißer Schuld auseinanderzusetzen. Whiteface wurde im Juni 2022 im Museum Folkwang, Essen, uraufgeführt.

Candice Breitz, 1972 in Johannesburg geboren, lebt seit 2002 in Berlin. Sie studierte Bildende Kunst an der University of the Witwatersrand, Johannesburg, und Kunstgeschichte an der University of Chicago und der Columbia University, New York. Seit 2007 ist Breitz Professorin an der HBK Braunschweig und seit 2019 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin. Einzelausstellungen fanden im Kunstmuseum Bonn (2020), im Baltimore Museum of Arts (2020), im Boston Museum of Fine Arts (2018), im Kunstmuseum Stuttgart (2016), in der National Gallery of Canada, Ottawa (2013-14), im Kunsthaus Bregenz, Österreich (2010), im San Francisco Museum of Modern Art (2009) sowie The Power Plant, Toronto (2009) statt. Im Jahr 2017 vertrat Breitz gemeinsam mit Mohau Modisakeng Südafrika bei der 57. Biennale von Venedig. Ihre Arbeiten sind unter anderem in den Sammlungen der Tate Modern, London, des Museum of Modern Art, New York, des Kunstmuseums St. Gallen, Schweiz, und des Museum of Contemporary Art Chicago vertreten.