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Marianna Simnett
Geboren 1986 in London, Vereinigtes Königreich; lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland.

Die britische Künstlerin Marianna Simnett ist für ihre selbstreflexive Praxis bekannt, die sie mit Provokationen und schwarzem Humor durchsetzt. In ihren auf Fantasie gestützten Filmen, Zeichnungen und Performances untersucht sie moderne Mythologie, die Allgegenwärtigkeit von Gewalt oder Potenziale körperlicher Transformation.

Mehrfach hat Simnett Fragmente aus ihrer eigenen Biografie aufgegriffen und diese in eine Reihe von Zeichnungen oder einer Performance verarbeitet. Faint with Light (2016) – eine von Simnetts meistgelobten Arbeiten – ist eine monumentale Licht- und Klanginstallation, die auf einer Tonaufzeichnung basiert, in der die Künstlerin ihre eigene Ohnmacht durch Hyperventilation und Erstickung provoziert. Simnett eignete sich die Technik durch Online-Videotutorials an, indem sie in der Untergrundszene des „Choking Game“ oder „Würgespiels“ recherchierte. Dabei handelt es sich um eine Praxis, die häufig von jungen Männern auf der Suche nach einem drogenähnlichen Rausch betrieben wird. Der Hintergrund für die Entstehung von Faint with Light ist jedoch ein ganz anderer. Die Arbeit stützt sich auf die Erfahrungen von Simnetts verstorbenem jüdisch-kroatischen Großvater, der seine Hinrichtung während des Holocausts überlebte, als er plötzlich ohnmächtig wurde. Mit dem Verweis auf einen fast übernatürlichen Akt des Überlebens ist Faint with Light eine Erinnerung daran, dass unser Schicksal auf Messers Schneide steht. In der Installation wird Simnetts Atem durch eine monumentale Wand aus LED-Leuchten visualisiert, die, aktiviert durch den verzweifelten Klang von Simnetts angestrengter, schneller Atmung, die vier Zyklen ihres Zusammenbruchs und Wiederauflebens aufzeichnet.

In einem Interview mit dem Magazin Spike erklärte Simnett: „Fantasie hat eine gewisse Plausibilität. Ich glaube, dass die Vorstellungskraft ein wichtiges Werkzeug ist, um neue Welten und Potenziale zu schaffen.“ Simnetts Verknüpfung von Mythos und modernem Leben ist so anschaulich, dass sie ein Gefühl des Transhistorischen hervorruft und auf unsere heutige Abwesenheit von symbolischen Empfindungen hinweist. The Bird Game (2019) ist ein unheilvoller Film, der die Protagonistin, eine weibliche Krähe, dabei begleitet, wie sie eine Gruppe von Kindern zu einem Spiel verleitet, als dessen Preis sie Schlaflosigkeit verspricht. Jedes Kind wird in einer Reihe von gewalttätigen und erotisierten Spielen, die auf Märchen und Legenden verweisen, auf grausame Weise umgebracht. Der Film ist eine Meditation über Zyklen des Missbrauchs und endet damit, dass die Krähe ihre eigene schmerzhafte Geschichte offenbart und damit die Binarität von Unschuld und Schuld destabilisiert. The Bird Game ist durchdrungen von einer gothischen Aura kindlichen Staunens; Simnett bringt virtuos eine Allegorie von Krankheit, Trauma und Metamorphose zum Leben, wobei sie sich des Glanzes und der Magie des zeitgenössischen Kinos bedient.

Nach ihrem Umzug nach Berlin Ende 2020 fällt Simnetts Aufenthalt bei Callie’s in eine entscheidende Übergangsphase für die Künstlerin. Während ihres Residency-Aufenthalts konzentriert sich Simnett auf mehrere Projekte unterschiedlichen Umfangs. Dazu gehören eine Aquarellserie zum Thema Bestialität und Zoophilie für eine kommende Ausstellung im Londoner Drawing Room sowie eine 16-mm-Stop-Frame-Animation und Skulpturen für eine Ausstellung im Castello di Rivoli im Jahr 2021. Simnett hat ebenfalls damit begonnen, das Medium Sound zu untersuchen und arbeitet an ihrer ersten EP elektronischer Musik. In Anlehnung an das Projekt The Shop von Tracey Emin und Sarah Lucas aus dem Jahr 1993 hat Simnett in ihrem Atelier bei Callie’s ihr eigenes kleines kommerzielles Unternehmen mit dem Titel Der Laden gegründet. Mit dem Angebot von Originalzeichnungen und Objekten in limitierter Auflage, die direkt erworben werden können, stellt Der Laden eine neue Art der Beziehung zu Kunstmarkt und Publikum dar.

Marianna Simnett ist eine 1986 in London (Vereinigtes Königreich) geborene Künstlerin. Sie schloss ihren MA an der Slade School of Art im Jahr 2013 ab. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Museen ausgestellt, darunter in der City Gallery Wellington, Neuseeland (2021), dem Institute of Modern Art, Brisbane (2020), der Kunsthalle Zürich (2019), Copenhagen Contemporary (2019), FACT Liverpool (2019), dem Frans Hals Museum, Haarlem (2019), dem New Museum, New York (2018) und dem Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main (2018).